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Der Bund hat in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit den Kantonen, Fachverbänden und der Forschung neue Praxisgrundlagen zum Wasserressourcenmanagement entwickelt und in einigen Regionen bereits getestet. Der Artikel beschreibt wie der Kanton Thurgau im Rahmen eines Pilotprojekts zur Anpassung an den Klimawandel die Praxisgrundlagen genutzt hat und sich für künftige Trockenzeiten rüstet. Unter anderem wird eine innovative Methode beschrieben, welche es erlaubt, den Bewässerungsbedarf unter sich ändernden klimatischen Bedingungen für die Zukunft mit wenig Aufwand abzuschätzen. Diese Methode ist beliebig übertragbar und für sämtliche Regionen interessant, in denen Trockenheit und Bewässerung für die Landwirtschaft ein Thema wird.

Trockenheitsereignisse wie in den Jahren 2003, 2011 und 2015 haben uns einen Vorgeschmack gegeben, was uns mit fortschreitendem Klimawandel und zunehmendem Siedlungsdruck blüht. Der Druck auf die Ressource Wasser nimmt auch in der Schweiz zu. Der ehemalige Bauernverbandspräsident und Thurgauer Nationalrat Hansjörg Walter reichte darum 2010 das Postulat «Wasser und Landwirtschaft - Zukünftige Herausforderungen» ein und forderte Lösungsansätze für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser. Die Antwort des Bundesrates auf das Postulat (BAFU Hrsg. 2012) umfasst zahlreiche Massnahmen zum Umgang mit lokaler Wasserknappheit in der Schweiz. Bundesrätin Doris Leuthard empfiehlt den Kantonen und Regionen in ihrem Brief vom 5. August 2013 an die Regierungsräte/innen, die Risikogebiete bezüglich Trockenheit zu identifizieren und wo nötig die Wasserressourcen langfristig zu bewirtschaften. In ihrem Brief stellte sie dazu fachliche Unterstützung von Seiten des Bundes in Aussicht.

Risikogebiete identifizieren

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) stellt zum Umgang mit Wasserknappheitsproblemen Praxisgrundlagen in drei Modulen zur Verfügung. Modul 1 der Praxisgrundlagen (Chaix et al. 2016) ist eine Anleitung für eine Situationsanalyse eines Kantons (wo nötig kantonsübergreifend). Dabei werden sowohl die vorhandenen Wasserressourcen als auch der Bedarf der verschiedenen Wassernutzer und ökologische Ansprüche für die heutige Situation als auch für die Zukunft abgeschätzt. Anhand der Situationsanalyse kann eine Triage in Risikogebiete bezüglich Trockenheit und weniger sensible Gebiete vorgenommen werden.

Bestimmung des Dargebots der Oberflächengewässer in einem Einzugsgebiet

Mit den Abflussdaten der verfügbaren Pegelmessstellen war eine kantonsweite Herleitung des Dargebots für den Thurgau nicht möglich. Daher wurden die MQ-CH-Rasterdaten des BAFU verwendet (BAFU 2013). Zur Bestimmung der Abflüsse der Trockenheitsszenarien wurden die gemessenen Monatsabflüsse der Jahre 2003 (heisser, trockener Sommer) und 2011 (trockener Frühling) mit den langjährigen Mittelwerten der geeigneten Pegelstellen in Relation gesetzt und die MQ-CH-Abflüsse um die abgeleiteten Anteile gemindert. Analog wurde die künftige Restwassermenge anhand der Abflussmenge Q347 abgeschätzt und je Einzugsgebiet vom theoretischen Wasserdargebot abgezogen.

Innovative Methode zur Abschätzung des künftigen Pflanzenwasserbedarfs einer Region

Die Abschätzung des künftigen Bewässerungsbedarfs für ein Gebiet stellt die Landwirtschafts- und Wasserwirtschaftspraxis vor eine grosse Herausforderung. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 61 wurden dazu im Projekt AGWAM (Water Demand in Swiss Agriculture, and Sustainable Adaptive Options for Land and Water Management to Mitigate Impacts of Climate Change, Fuhrer et al. 2013) umfassende wissenschaftliche Grundlagen geschaffen. Die Methode wurde für die ganze Schweiz erweitert und aufgrund der Komplexität von AGWAM für die Praxis heruntergebrochen (Smith und Fuhrer in Chaix et al. 2016). Als Resultat stehen auf der BAFU-Website einfach verwendbare Tabellen mit dem berechneten Pflanzenwasserbedarf für die häufigsten angebauten Kulturen, verschiedenen Bodentypen und Klimaregionen der Schweiz zur Verfügung. Die berechneten Werte quantifizieren auf monatlicher Auflösung den zusätzlichen Pflanzenwasserbedarf – zusätzlich zum Niederschlag beim entsprechenden Klimaszenario – für die entsprechende Kultur.

Für das Pilotprojekt wurden die Flächen der angebauten Kulturen und die Bodendaten erstmals mit Hilfe eines GIS verschnitten. Für jede Parzelle wurde so der zusätzliche Pflanzenwasserbedarf anhand der 2015 angebauten Kulturen abgeschätzt und auf die Einzugsgebiete bezogen. Um den Bewässerungsbedarf zu bestimmen wurde eine Bewässerungseffizienz von 60 % angenommen. Durch die Bilanzierung des modellierten Bewässerungsbedarfs der einzelnen Trockenheitsszenarien in den Regionen konnten die sensiblen Gebiete bezüglich Wasserknappheit im Kanton Thurgau identifiziert werden.

Die folgende Abbildung zeigt ein Szenario, welches nach dem heutigen Stand des Wissens einen eher trockenen Sommer im Jahr 2060 und einen durchschnittlichen Sommer gegen Ende des Jahrhunderts abbildet. Die gelb bis orange eingefärbten Einzugsgebiete weisen ein Defizit auf, weil die Menge des verfügbaren Wassers in den Fliessgewässern kleiner ist als die Summe aus Restwassermenge (Q347) und berechnetem Zusatz-Pflanzenbedarf. Dunkelblau eingefärbt sind die Einzugsgebiete mit einem Überschuss.

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Sensible Einzugsgebiete für Wasserknappheit im Kanton Thurgau. Szenario entspricht einem eher trockenen August im Jahr 2060 und einem durchschnittlichen August Ende Jahrhundert.
Bilanz = «Dargebot Oberflächengewässer» minus «Restwassermenge (Q347)» und «theoretischem Bewässerungsbedarf» pro Einzugsgebiet. Gelb-Orange = Defizit, Dunkelblau = Überschuss.

Auch die übrigen im Projekt modellierten Szenarien zeigen deutlich, dass sich die Wasserknappheitssituationen in vielen Einzugsgebieten ohne zusätzliche Massnahmen zuspitzen werden. Mit den Pflanzenbedarfs-Tabellen können nun auf einfache Art und Weise Bewirtschaftungsszenarien getestet werden, indem die Nutzung der Parzellen oder Faktoren wie Restwassermengen oder Bewässerungseffizienz verändert werden. Wie ändert sich beispielsweise die Wasserbilanz, wenn in einem Gebiet in Zukunft auf den Anbau der relativ «durstigen» Kartoffeln verzichtet wird? Wo gibt es auch in Zukunft genügend Wasser für den im Thurgau so wichtigen Obst- und Gemüsebau?

Langfristige Anpassung: Wasserknappheitssituationen vermeiden

Die Überlegungen zur langfristigen, präventiven Anpassung an die neuen klimatischen Bedingungen im Kanton Thurgau gehen denn auch in diese Richtung. Als Handlungsoptionen werden verschiedene Stossrichtungen geprüft:

Organisatorische Massnahmen: Konzessionserteilung nur noch an Bewässerungsgemeinschaften, welche die Wasserverteilung untereinander regeln.

Technische Massnahmen: Einsatz effizienterer Bewässerungstechnologien, Bau von Wasserspeichern und Verteilnetzen.

Kulturen: Andere Kulturen anbauen, trockenheitsresistente Sorten.

Modul 2 der Praxisgrundlagen (Wehse et al. 2017) liefert eine Sammlung von 50 Massnahmen zur präventiven Sicherstellung ausreichender Wasserressourcen. Die meisten Wasserknappheitsprobleme können aber nicht mit einmaligen, punktuellen Massnahmen gelöst werden, sondern erfordern eine langfristig ausgerichtete Bewirtschaftung der Wasserressourcen. Darum ist es wichtig, die zu ergreifenden Massnahmen in der Planung zu verankern. Viele Regionen verfügen heute schon über Planungsinstrumente aus der Wasser- oder Landwirtschaft. Wehse et al. 2017 geben einen Überblick der häufigsten Planungsinstrumente und beschreiben, wie die Massnahmen zum Wasserressourcenmanagement darin verankert werden können. Beispielsweise ist die landwirtschaftliche Planung schon verbreitet bekannt. Diese ist modulartig aufgebaut und lässt sich gut durch Massnahmen des Wassermanagements erweitern.

Kurzfristige Ausnahmesituationen meistern

Mit geschickter Planung und vorausschauender Bewirtschaftung der Wasserressourcen sollten Knappheitssituationen für die Zukunft also weitgehend vermieden werden können. Trotz allen Bemühungen bleibt aber ein Restrisiko. Es wird immer wieder Ereignisse geben, für welche auch kurzfristige Bewältigungsstrategien notwendig sind. Hier setzt Modul 3 (Dübendorfer et al. 2015) an. Der Bericht ist als Werkzeugkoffer für kantonale Fachstellen zu verstehen, welche für die Bewältigung von Knappheitssituationen ihre bestehenden Strukturen gezielt mit Massnahmen, Organisationsformen und Vorgehensmöglichkeiten ergänzen möchten.

Bei den Trockenheitsereignissen 2003 und 2011 kam es im Kanton Thurgau wie auch in vielen anderen Regionen der Schweiz zu Knappheitssituationen und lokalen Diskussionen rund um Wasserentnahmen aus Gewässern. Der Kanton Thurgau hat die Lehren aus diesen Ereignissen gezogen. Das Landwirtschaftsamt und das Umweltamt haben zusammen mit den Landwirten die Spielregeln für die Bewilligung und Einschränkung von Wasserentnahmen geklärt. Die betroffenen Akteure werden bei einer sich abzeichnenden Trockenheit heute frühzeitiger und differenzierter informiert. Damit können die landwirtschaftlichen Verbände und die einzelnen Landwirte rechtzeitig entsprechende Massnahmen ergreifen, um trockenheitsbedingte Ertragsausfälle so gering wie möglich zu halten.

Ein Ampelsystem zur Kommunikation des Lagebildes über die Plattform www.hydrodaten.tg.ch wird angestrebt. Die kartografische Darstellung ermöglicht einen schnellen und einfachen Überblick.

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Entwurf der zukünftigen Informationsplattform

Literatur

Bundesamt für Umwelt BAFU (Hrsg.) (2012): Umgang mit lokaler Wasserknappheit in der Schweiz. Bericht des Bundesrates zum Postulat «Wasser und Landwirtschaft. Zukünftige Herausforderungen.»
 
Bundesamt für Umwelt BAFU (Hrsg.) (2013): Datensatz MQ-CH.
 
Chaix O., Wehse H., Gander Y., Zahner S. (2016): Bestimmung von Regionen mit Handlungsbedarf bei Trockenheit. Expertenbericht zum Umgang mit lokaler Wasserknappheit in der Schweiz. Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt.
 
Dübendorfer C., Tratschin R., Urfer D., Zahner S., Zysset A. (2015): Umgang mit Wasserressourcen in Ausnahmesituationen. Expertenbericht zum Umgang mit lokaler Wasserknappheit in der Schweiz.
 
Fuhrer J., Tendall D., Klein T., Lehmann N., Holzkämper A. (2013): Water Demand in Swiss Agriculture. Sustainable Adaptive Options for Land and Water Management to Mitigate Impacts of Climate Change.Agroscope.
 
Wehse H., Chaix O., Gander Y., Birrer A., Fritsch M., Meylan B., Zahner S. (2017): Erarbeitung von Massnahmen zur langfristigen Sicherstellung der Wasserressourcen. Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt.
 
Praxisgrundlagen Wasserressourcenmanagement (deutsch / französisch)
 
Pilotprojekt zur Anpassung an den Klimawandel im Kanton Thurgau:

Samuel Zahner, Bundesamt für Umwelt, samuel.zahner@bafu.admin.ch
Robert Holzschuh,Amt für Umwelt, Kt. TG, robert.holzschuh@tg.ch
Marco Baumann, Amt für Umwelt, Kt. TGmarco.baumann@tg.ch
Ueli Bleiker, Landwirtschaftsamt Kt. TG, ueli.bleiker@tg.ch
Sebastian Hofer, Egli Engineering AG, hofer@naturgefahr.ch

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