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Burnout ist ein Erkrankungsbild, das seit etwa 50 Jahren bekannt ist und in den letzten Jahren immer häufiger auftritt. Burnout steht im Zusammenhang mit chronischem Stress und auch mit Depression. Burnout ist charakterisiert durch wenig Energie seitens der Betroffenen, Gefühle der Hilflosigkeit, geringere Motivation und geringeres Engagement auf der Arbeit sowie negative Einstellungen sich selbst, aber auch der Arbeit und anderen gegenüber (Aronson1983). Wichtig im Kontext von Burnout ist ebenfalls, dass gesunde Personen, die vorher nicht an einer psychischen Erkrankung gelitten haben (Hallsten 1993), von Burnout betroffen werden. Häufig wird von einer
Burnout-Spirale gesprochen, die sich schleichend und von den Betroffenen unbemerkt entwickelt. Meist stehen am Anfang grosser Stress und Schlafstörungen, dann stellen sich verschiedene körperliche Beschwerden ein und andere psychische Erkrankungen können hinzukommen. Vielfach leiden die sozialen Beziehungen, vor allem die Paarbeziehung, darunter und fallen dann oft als Schutzfaktor weg. Kurz gefasst kann Burnout als starke, langandauernde Erschöpfung beschrieben werden, die unbehandelt gravierende Folgen für die betroffene Person, deren soziales Umfeld und den Betrieb haben und in den schlimmsten Ausprägungen bis hin zu Suizid führen kann. Wichtig ist daher Prävention. In einem frühen Stadium gibt es viele Handlungsmöglichkeiten. Die Betroffenen sind dabei vor allem auf Rückmeldungen von Personen in ihrem Umfeld angewiesen. Hier zeigt sich aber ein Risikofaktor für Burnout in der Schweizer Landwirtschaft in Folge ihrer Struktur. Auf Familienbetrieben arbeiten Landwirt/-innen teils allein und nur die Familie kommt als «Spiegel» in Frage. Im Kontext der Landwirtschaft bedeutet dies bei Erkrankung einer Person, dass die anderen Personen, v.a. die Familie, deren Aufgaben übernehmen müssen. Sie riskieren damit, allenfalls selbst an Burnout zu erkranken.  

Burnout-Rate in der Schweiz und Deutschland vergleichbar

In der Schweizer Bevölkerung wurde 2014 eine Burnout-Rate zwischen 4 und 6 % ausgewiesen (Igic 2015, Grebner 2016), die Unterschiede sind auf die unterschiedlichen Fragestellungen bzw. Messinstrumente zurückzuführen. Bei der Bevölkerung in Deutschland wurde mit 6 % eine ähnlich hohe Burnout-Rate wie in der Schweiz gemessen.

In den letzten Jahren wurden immer wieder Stimmen in der Landwirtschaftspresse laut, die von Burnout auf Schweizer Familienbetrieben berichten, meist in Form von Fallgeschichten. Da es lange keine empirischen Studien in der Schweiz zu dieser Untersuchungsgruppe gab, blieb die Frage nach der Häufigkeit und den Entstehungsbedingungen von Burnout in der Schweizer Landwirtschaft bisher offen.

Burnout-Befragung in der Landwirtschaft

Um diese Fragen beantworten zu können, erstellte Agroscope einen schriftlichen Fragebogen, der im Mai und Juni 2016 an 4000 Schweizer Landwirt/-innen verschickt und von 1358 Betriebsleitenden bzw. deren Partner/-innen online oder auch schriftlich ausgefüllt wurde. Sie repräsentieren die Struktur der Schweizer Landwirtschaft sehr gut. Einerseits beantworteten die Teilnehmenden einen standardisierten Burnout-Fragebogen, das Copenhagen Burnout Inventoray (CBI) (Nübling2013), andererseits sehr vielfältige Fragen zu den möglichen extrinsischen, also äusseren Verursachungsfaktoren für Burnout. Zudem wurden Daten zu Betriebsstruktur, Haushaltsstruktur und soziodemografische Variablen erfasst.

Tendenziell höhere Gefährdung in der Landwirtschaft

Das unten stehende Diagramm zeigt, wie häufig Burnout in der Landwirtschaft auftritt (gemessen mit dem CBI). Da es sich dabei um einen Selbstbeurteilungsfragebogen handelt und nicht um eine klinische Diagnose, wird hier von «burnoutgefährdet» gesprochen. Demnach gibt es in der Landwirtschaft eine Gruppe, die nicht burnoutgefährdet (N=1168; «unterdurchschnittlich»: 21 % sowie «durchschnittlich» 68 %) und eine Gruppe, die burnoutgefährdet ist (N=153; «überdurchschnittlich»: 12 %). Anzufügen ist, dass es in der Burnout-Forschung nach wie vor Messunsicherheiten gibt und die Zahlen daher nicht als absolut zu verstehen sind, sondern als Tendenz.

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Gute Beziehungen sind ein Schutzfaktor

Bei der Entstehung von Burnout spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle. Neben persönlichen Eigenschaften und Lebenserfahrungen einer Person nehmen auch äussere Faktoren und Belastungen Einfluss. Untersuchungen von Agroscope haben gezeigt, dass die Burnout-Entstehung auch in der Landwirtschaft auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. In der Tendenz zeigt sich, dass Betriebs- und Haushaltscharakteristika (Grösse, Ausrichtung, Zusammensetzung etc.), eher wenig Einfluss haben. Die finanzielle Situation, der allgemeine Gesundheitszustand, Freizeitmangel und Zeitdruck, sowie die enge Verflechtung von Arbeit und Familie und dadurch bedingte Konflikte («Spill-over-Effekt») scheinen die grössten Einflussfaktoren zu sein. Gute Beziehungsqualität, soziale Kompetenzen wie gute Selbstkontrolle und Entscheidungsfreudigkeit können als Schutzfaktoren dienen.

Schlussfolgerungen

Die Studie zeigt, dass Burnout ein Thema in der Schweizer Landwirtschaft ist: Landwirte und Bäuerinnen sind tendenziell häufiger betroffen als der Durchschnitt der übrigen Bevölkerung. Wie die Ergebnisse andeuten, sind verschiedene Einflussfaktoren relevant für die Entstehung. Die Form und Ausrichtung des Betriebs scheint dabei eher zweitrangig zu sein. Auch wenn sich gewisse Faktoren wie eine angespannte finanzielle Situation und Konflikte durch die enge Verflechtung von Arbeit und Familie als relevant erweisen, so ist die Entstehung von Burnout auch immer sehr individuell. Die Untersuchung legt nahe, dass es für die einzelnen Landwirte und Bäuerinnen wichtig ist, ihre eigene Situation zu betrachten und eventuell nötige Veränderungen einzuleiten, also z.B. Überlastungen und Stress reduzieren und Konflikte lösen. Bei neuen Entscheidungen ist dabei die Frage nach der eigenen Belastbarkeit nicht ausser Acht zu lassen. Dies vor dem Hintergrund, dass Entscheidungen in der Landwirtschaft häufig eine langjährige Tragweite haben.

In weiteren Schritten werden die Einflüsse auf Burnout vertieft untersucht. In zusätzlichen Untersuchungen werden zudem die Schutzfaktoren detaillierter erhoben, um die Burnout-Prävention in der Landwirtschaft stärken zu können.

Literatur
Aronson E., Pines A. M. & Kafry D., 1983. Ausgebrannt: vom Überdruss zur Selbstentfaltung. Stuttgart: Klett-Cotta, 269 S.
 
Grebner S., I. B., Alvarado V., Cassina M., 2010. Stressstudie 2010 – Stress bei Schweizer Erwerbstätigen. Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen, Personenmerkmalen, Befinden und Gesundheit. Bern: SECO.
 
Hallsten L., 1993. Burning out: A framework. In: In Professional burnout: Recent developments in theory and research. 95 – 113 (Ed. Schaufeli W., Maslach, C. and Marek, T.), Taylor and Francis, Washington, D.C., 311 – 346.
 
Igic I. K., A.; Brunner, B.; Wieser, S.; Elfering, A.; Semmer, N., 2015. Job-Stress-Index 2015 Kennzahlen zu psychischer Gesundheit und Stress bei Erwerbstätigen in der Schweiz. Bern.
 
Nübling D. M., Vomstein M., Haug A. & Lincke D. H.-J. 2013: COPSOQ als Instrument zur Messung psychosozialer Faktoren am Arbeitsplatz - Gefährdungsbeurteilung psychische Belastungen. FFAS: Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg.
 
Stöbel-Richter Y., Daig I., Brähler E. & Zenger M., 2013. Prävalenz von psychischer und physischer Erschöpfung in der deutschen Bevölkerung und deren Zusammenhang mit weiteren psychischen und somatischen Beschwerden. Psychother Psych Med 63, 109 – 114.

Linda Reissig, Agroscope; linda.reissig@agroscope.ch

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