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Das Bäuerliche Sorgentelefon würdigt im Jahr 2017 sein 20-jähriges Bestehen. Seit der Gründung ist diese Institution eine wichtige Anlaufstelle und ein wertvoller Rückhalt für die ländliche Bevölkerung. Weiss man überhaupt nicht mehr, wie’s weitergehen soll, dann wendet man sich ans Sorgentelefon: Dort hört jemand aktiv zu und hilft weiter. Inzwischen ist weitherum bekannt, im Notfall kann die Nummer 041 820 02 15 gewählt werden. Die Anzahl Anrufe pro Jahr schwankte zwar in den letzten 20 Jahren zwischen dem Maximum von 163 Anrufen im Jahr 2000 und dem Minimum von 84 im Jahr 2003, aber ein Trend zu weniger Anrufen ist nicht festzustellen. Im Jahr 2015 waren es 153, im Jahr 2016 123 Anrufe.

Der Wandel macht auch vor der Landwirtschaft nicht halt. Ökonomische, technische und agrarpolitische Veränderungen fordern die Bäuerinnen und Bauern zu Anpassungen und Neuorientierungen auf. Nicht alle sind dem Tempo und den Ansprüchen des Wandels gewachsen. Wenn auch noch persönliche, familiäre oder psychische Belastungen dazu kommen, kann es Einzelnen einfach zu viel werden. Für sie ist das Bäuerliche Sorgentelefon da. In einem offenen, vertraulichen Gespräch können sie ihr Herz ausschütten, abladen, das «Gnusch im Fadechörbli» entwirren, wieder Mut fassen und neu vorwärts schauen. Und zum Glück gibt es ja auch noch viele andere, spezialisierte Hilfsangebote, auf die das Bäuerliche Sorgentelefon verweisen kann.

Die Anfangszeiten

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Das erste Logo


Wie kam es überhaupt zur Gründung des Bäuerlichen Sorgentelefons? Es kamen zwei Dinge zusammen: Engagierte Persönlichkeiten und eine Initiative des Bundes.
Aus Anlass des «Internationalen Jahres der Armut» im Jahr 1996 errichtete das Departement des Innern einen Fond und schrieb einen Wettbewerb aus. Daniela Clemenz, damals Mitarbeiterin des LBL (Landwirtschaftliche Beratungszentrale Lindau, heute: AGRIDEA), reichte ein Projekt zur Schaffung eines Bäuerlichen Sorgentelefons ein. Sie suchte und fand engagierte Persönlichkeiten aus kirchlichen und landwirtschaftlichen Kreisen, die bereit waren, das Projekt zu unterstützen und so konnte am 23. November 1996 in Grafenried BE anlässlich der Jahresversammlung der Schweizerischen Reformierten Arbeitsgemeinschaft Kirche und Landwirtschaft SRAKLA der Verein Bäuerliches Sorgentelefon gegründet werden. Neben der SRAKLA gehörten die Katholischen Bäuerinnen, die Schweizerischen Landfrauen (heute SBLV), die katholische Bauernvereinigung (SKBV) und die LBL zu den Gründungsmitgliedern. Auch heute noch sind diese vier Institutionen die Träger des Bäuerlichen Sorgentelefons. Als Anerkennung bekam der neue Verein einen Starthilfe-Beitrag von 5000 Franken aus dem Fond des «Internationalen Jahres der Armut». Aber auch viele kirchliche, landwirtschaftliche und soziale Institutionen leisteten Starthilfe. Und nicht zuletzt die Einzelspenden von Bäuerinnen und Bauern halfen mit zu einem guten Start. Nachdem mit dem Seminar- und Bildungszentrum Mattli Morschach auch ein Ort gefunden werden konnte, der bereit war, als Telefonumschaltzentrale zu fungieren, konnte am 23. Dezember 1996 das Bäuerliche Sorgentelefon seinen Betrieb aufnehmen. In den ersten sechs Monaten bekam das Bäuerliche Sorgentelefon bereits über 100 Anrufe.

Die aktuelle Arbeitsweise

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Das aktuelle Logo


Von Beginn an wurden sehr unterschiedliche Probleme und Sorgen an das Bäuerliche Sorgentelefon herangetragen: Probleme mit dem Wohnrecht beim schwierigen Miteinander von Generationen, Beziehungskonflikte wegen vermeintlichen oder tatsächlichen Seitensprüngen von Ehepartnern, Auseinandersetzungen mit Behörden wegen Vorschriften und Beanstandungen, gesundheitliche Probleme wegen Überlastung oder Überforderung, finanzielle Sorgen, usw. Das Spektrum der Sorgen und Nöte, welche an das Bäuerliche Sorgentelefon herangetragen werden, ist breit und die Problemlagen werden in letzter Zeit eher komplexer.

Die freiwilligen Helferinnen und Helfer, die den Beratungsdienst am Telefon versehen, sind oder waren alle selbst Bäuerinnen oder Bauern. Damit sie mit den vielfältigen Problemen, mit denen sie am Telefon konfrontiert sind, umgehen können, und – obwohl sie keine Beratungs-Profis sind – möglichst professionell beraten können, werden sie laufend weitergebildet und geschult. Jedes Jahr besuchen sie drei Weiterbildungsveranstaltungen. Dabei werden einerseits schwierige Fälle in Intervision (Austausch unter Kollegen/-innen) und Supervision (Austausch mit Experte/-in) besprochen, andrerseits werden zu aktuellen, spezifischen Themen Fachreferenten und -referentinnen eingeladen, die das Thema kompetent behandeln und Tipps für die Beratung geben. So konnte seit Beginn der Arbeit des Sorgentelefons garantiert werden, dass die Beratung am Telefon für die Anrufenden auch tatsächlich möglichst hilfreich ist.

Die anonyme Telefonberatung ist eine besondere Beratungsform. Der Austausch findet nur über das Hören und das Sprechen statt. Man sitzt sich nicht gegenüber, man sieht sich nicht, kann sich also nicht in die Augen schauen und hat auch keine Möglichkeit, die Mimik im Gesicht abzulesen. Telefonberatung muss sich darum ganz auf das Hören und das Gesprochene konzentrieren. Das ist eine besondere Herausforderung, aber auch eine Chance. Gutes, aktives Zuhören kann sehr hilfreich sein. Zuhören, geduldiges Aufdröseln der manchmal vielschichtigen Probleme, konkretes Überlegen von möglichen Lösungsschritten und Mut machen hilft, die akute Verzweiflung zu überwinden.

Die anspruchsvolle Arbeit am Telefon erfüllen die freiwilligen Helferinnen und Helfer meist über viele Jahre mit grossem Engagement und Ernst. Ihnen gebührt ganz besonders der Dank für die seit 20 Jahren geleistete Arbeit.

Dran bleiben auch in Zukunft

Die Arbeit des Bäuerlichen Sorgentelefons hat immer wieder grosse Anerkennung gefunden. Im Jahr 2001 wurde dem Sorgentelefon von der OGG (Ökonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern) die silberne Verdienstmedaille für gemeinnützige Projekte verliehen. Im Jahr 2015 erhielt das Sorgentelefon den mit
20 000 Franken dotierten Prix Agrisano. Besonders zu erwähnen ist jedoch die stetige und massgebliche Unterstützung, welche das Sorgentelefon insbesondere von kirchlicher Seite erfahren durfte. Zahlreiche reformierte und katholische Kirchgemeinden sowie Kantonalkirchen leisten seit Jahren Beiträge und Kollekten, die entscheidend dazu beitragen, dass der Betrieb des Sorgentelefons aufrechterhalten werden kann. Ohne diese Unterstützung, sowie die Spenden von Einzelpersonen, könnte das Angebot nicht weiter bestehen. Momentan ist die mittelfristige Finanzierung gesichert. Da sich aber sowohl bei der Kirche, wie auch bei landwirtschaftlichen Organisationen immer wieder von neuem Sparmassnahmen abzeichnen, muss für die Weiterexistenz des Sorgentelefons laufend gekämpft werden. Der Vorstand des Sorgentelefons setzt sich für dieses Ziel voll ein.

Das Bäuerliche Sorgentelefon will denjenigen Menschen, die mit dem Wandel aus den verschiedensten Gründen nicht zurechtkommen, auch in Zukunft so gut es kann beistehen.

Lukas Schwyn, Präsident des Bäuerlichen Sorgentelefons, lukas.schwyn@bluewin.ch

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