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Im Toggenburger Alpsteingebiet (Kanton St. Gallen) wurde die historisch und ortsbaulich wertvolle Alpsiedlung Trosen durch den Wiederaufbau eines Stalles instandgesetzt. Das Projekt umfasste einen tierschutzgerechten Stallneubau für 26 Kühe. Der Standort liegt gemäss Schutzverordnung der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann in einem Ortsbild- und Landschaftsschutzgebiet sowie in einem Lebensraum-Schongebiet. Die Alp ist Teil des BLN-Gebietes «1162 Säntisgebiet». Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens wurden Projektvarianten geprüft und unter anderem gestalterische sowie materialtechnische Auflagen verfügt. Der neue Stall integriert sich optimal in den historischen Baubestand und entspricht den Vorschriften des Tierschutzes. Basis für die erfolgreiche Ausführung waren eine rechtzeitige und umsichtige Planung sowie das grosse Engagement der Bauherrschaft. Die Baumassnahme im Sömmerungsgebiet wurde durch Bund und Kanton als gemeinschaftliche Massnahme mit kombinierten Investitionshilfen unterstützt. Dabei wurden zusätzliche Bundesbeiträge an die Mehrkosten aufgrund der speziellen Erschwernisse gewährt.

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Die historisch und ortsbaulich wertvolle Alpsiedlung Trosen im Toggenburger Alpsteingebiet.

Die Alpsiedlung Trosen ist von Unterwasser in Richtung Säntis über die Alpen Laui und Alple mit einer Alpstrasse erschlossen. Das Gelände rund um die Alpsiedlung ist stark kupiert. Die Hütten und Ställe liegen, dicht übereinander gestaffelt, auf einer Hangmoräne und bilden nach Westen eine aufgefächerte Gebäudesituation. Das historisch gewachsene Ensemble besticht durch seine hohe architektonische Qualität und den guten Erhaltungszustand. Die Kleinstrukturen und das enge Zusammenrücken innerhalb der Alpsiedlung sind vermutlich auf die standortbedingte Lawinengefahr, die beidseits der Moräne besteht, zurückzuführen. Dies erklärt die für das Obertoggenburg untypische und kompakte Anordnung der Gebäude. Auffallend ist die offene Bauweise und die strikte Trennung der Raumfunktionen, die auf eine weit zurückliegende Besiedelung, allenfalls aus dem rätischen Gebiet stammend, schliessen lässt. Im Toggenburg sind Stall und Hütte in der Regel unter einem Dach zusammengebaut (Alpzimmer).

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Die Alpsiedlung Trosen aus der Vogelperspektive. Rot eingefärbt der neu erstellte Kuhstall mit 26 Anbindeplätzen.    

Bewirtschaftung aus dem Rheintal

Die Alpen im Obertoggenburg wurden vermutlich schon vor 1000 Jahren genutzt. Als sich um das Jahr 1150 Mönche niederliessen, um ein Kloster in Alt St. Johann zu gründen, war das Thurtal noch fast menschenleer. Über der Waldgrenze gab es jedoch Weiden, die schon vorher bewirtschaftet worden waren, und zwar von romanisch sprechenden Hirten und Sennen aus dem Rheintal. Etliche Alpnamen wie Iltios, Selun, Gräppelen sind rätischen Ursprungs und hiessen schon so, bevor sie die deutschsprachigen Alemannen aus dem Flachland in Beschlag nahmen. Mit Brief und Siegel sicherten sich die Alpgenossen von Alt St. Johann bereits im Jahr 1550 ihre Unabhängigkeit und den Besitz des Alple, das vorher dem Fürstabt von St. Gallen gehört hat (vgl. Bruno Wickli: Die Obertoggenburger Alpwirtschaft im Mittelalter. In: St. Galler Bauernverband (Hrsg.): Alpen im Toggenburg. 2011).

Alprechte und Löcher

Das aktuelle Reglement der privatrechtlichen Alpkorporation Alple, zu der auch der Alpbetrieb Trosen gehört, ist seit 1974 in Kraft und regelt die gemeinsame Nutzung der Alp. Das Eigentum besteht aus 186 selbständigen Anteilsrechten (Alprechte). Mitglied der Korporation ist jeder Eigentümer von mindestens einem Viertel Alprecht. Die Gebäude sind im Privatbesitz einzelner Korporationsmitglieder und müssen durch diese unterhalten werden. Die Anzahl Tierplätze (Löcher) sind alpintern den Ställen zugeteilt. Die Alprechte hingegen sind selbständig und frei durch Verkauf oder Verpachtung handelbar. Wer über nicht besetzte Löcher verfügt, ist verpflichtet, diese an die Auftreibenden zu vermieten. Zu Beginn der Sömmerung und bei nasser Witterung werden die Tiere zur Schonung der Weiden eingestallt (Einstallungspflicht). Nachdem die Art des Eigentums und der Bewirtschaftung der gemeinschaftlich geführten Alp seit Jahrhunderten geregelt ist, besteht jedoch aus wirtschaftlicher Sicht bis heute ein enger Bezug zu den auftreibenden Landwirten. Sie sind meistens Korporationsmitglied, Gebäudeeigentümer und Selbstbewirtschafter. Diese Eigenschaften treffen auch auf Werner Forrer, den Bauherrn des neu erstellten Alpstalls Trosen zu.

Werner Forrer aus Unterwasser führt einen Milchwirtschaftsbetrieb mit 1,74 Standardarbeitskräften, einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 22,17 Hektar und einem Tierbestand von rund 24 Grossvieheinheiten. Er sömmert seine Tiere während der Vor- und Nachalpzeit auf der Alp Trosen und im Hochsommer auf der höher gelegenen Alp Flies. Er besitzt 19,24 Alprechte und pachtet jeweils rund 14 Alprechte dazu. In seinem Eigentum sind die Hütte, der Kuhstall und der Rinderstall. Die Alpmilch wird an den Betrieb von Jakob Knaus verkauft und in der benachbarten Hütte zu einem schmackhaften und prämierten Alpkäse weiterverarbeitet. Die Alpbewirtschaftung hat für den Betrieb von Werner Forrer eine grosse Bedeutung. Sie erhöht die Futtergrundlage und führt zu unverzichtbaren Erträgen aus der Milchproduktion, der Jungviehaufzucht und zu höheren Direktzahlungen.

Historisch gewachsene Kleinstrukturen

Der Kuhalpstall wurde 2015 aus Tierschutz- und Gewässerschutzgründen neu erstellt. Das Raumprogramm umfasste 26 Anbindeplätze für Kühe, eine Kälberbox, ein Milchzimmer sowie ein Düngerlager. Um die Schutzwürdigkeit der Alp Trosen zu erhalten, wurden zusammen mit der kantonalen Denkmalpflege und der Gemeinde Nesslau verschiedene Projektvarianten geprüft. Das Raumprogramm der Stallbaute wurde auf den Alpbetrieb und die künftige Bestossung mit Milchkühen ausgerichtet. Die situative Gebäudeausrichtung und die maximale Firsthöhe wurden in der Planungsphase anhand von Projektstudien bestimmt und sind gemäss bewilligtem Projektplan definiert. Entscheidend bei der Planung war, dass der neue Baukörper sich massstäblich in die historisch gewachsenen Kleinstrukturen einfügt und die Sicht auf die Alpsiedlung nicht verbaut wird.

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Die Kleinstrukturen und das enge Zusammenrücken innerhalb der Alpsiedlung sind vermutlich auf die standortbedingte Lawinengefahr zurückzuführen.

Der besondere Charakter der Alpsiedlung führte in der Baubewilligung zu verschiedenen Gestaltungsauflagen, nämlich:

die bestehende Dachneigung sowie die Ort- und Traufdetailgestaltung waren exakt zu übernehmen;

die Dacheindeckung war mit dunkelgrauem Faserzementschiefer auszuführen, wie sie auf den übrigen Gebäuden der Alp Trosen bereits vorhanden ist;

die Fassadenbekleidung war mit einem sägerohen Tannenholz-Leistenschirm oder überschobenen Bretterschirm mit unterschiedlichen Brettbreiten und das Giebeldreieck mit handgespaltenen Holzschindeln auszuführen;

die Umgebungsarbeiten waren auf das absolut Notwendige zu reduzieren. Neue Mauern waren in Naturstein auszuführen und mussten dem bestehenden Charakter entsprechen. Dafür waren Steine aus dem Abbruch zu verwenden;

die feinmässstäblichen Fenster waren in Holz und mit echten Sprossen auszuführen;

die Fensterläden, Stalltüren und Tore waren in Massivholz mit Einschubleisten auszuführen.

Die Gestaltungsvorschriften führten gegenüber einer Standardausführung zu Mehrkosten in der Höhe von rund Fr. 23 000.–. Kostentreibend war insbesondere der Mehraushub, der aufgrund der begrenzten Firsthöhe, bei gleichbleibender Dachneigung und grösserer Gebäudegrundfläche, notwendig war. Weitere grössere Posten waren das Eternitdach (anstatt Profilblech), die geschindelten Giebeldreiecke und die Umgebungsmauern mit Steinen aus dem Abbruch.

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Die situative Gebäudeausrichtung und die maximale Firsthöhe wurden in der Planungsphase anhand von Projektstudien bestimmt. Entscheidend bei der Planung waren, dass der neue Baukörper sich massstäblich in die historisch gewachsenen Kleinstrukturen einfügt und die Sicht auf die Alpsiedlung nicht verbaut wird.

Kostenübersicht (in CHF)

Anlagekosten (Baukostenplan 1 – 5)    129 000.–
Mehrkosten aufgrund erschwerter Zufahrt18 000.–
Mehrkosten spezielle Baugestaltung    23 000.–
Gesamtkosten    171 000.–
Anteil Finanzierung mit öffentlichen Beiträgen (Bund und Kanton)    46 000.–
    – davon Beitrag Kanton    14 000.–
    – davon Beitrag Bund (Bereich Landwirtschafft)    32 000.–
       – Bundesbeitrag (Bereich Landwirtschaft) an Mehrkosten18 000.–
           … für erschwerte Zufahrt    8 000.–
           … spezielle Baugestaltung    10 000.–

Die Investition führte insgesamt zu einem ausgezeichneten Ergebnis. Einerseits konnten die Betriebsgrundlagen für den Alpbetrieb von Werner Forrer wesentlich verbessert und die Vorschriften für den Tierschutz- und Gewässerschutz erfüllt werden. Andererseits ist es mit dem Projekt gelungen, die charakteristische und historisch wertvolle Alpsiedlung Trosen zu erhalten und längerfristig zu sichern. Basis für die erfolgreiche Umsetzung waren eine umsichtige Planung, handwerkliches Geschick, das grosse Engagement der Bauherrschaft und nicht zuletzt die Unterstützung durch öffentliche Finanzhilfen von Bund und Kanton.

Bernhard Güttinger, Projektleiter Landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft des Kantons St.Gallen,
bernhard.guettinger@sg.ch

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