Mobile Hühnerställe in der Praxis
Bei der üblichen Freilandhaltung von Legehennen werden die Freilandflächen in der näheren Umgebung des Geflügelstalles stark beansprucht. Dies führt dazu, dass auf dieser Fläche häufig kein Gras mehr wächst, ein übermässiger Nährstoffeintrag stattfindet und ein erhöhter Parasitendruck herrscht. Eine Antwort auf diese Probleme bietet die vollmobile Stallhaltung von Freilandhühnern. Diese Haltungsform ist ein neuer Trend, der von Deutschland kommt. Noch sind in der Schweiz nur die ganz kleinen Hühnerbestände von 200 bis 380 Legehennen mobil unterwegs. Aber auch Bestände von 2000 Tieren können in modernen, funktionalen und mobilen Ställen untergebracht werden.
Üblicherweise werden Ställe mit festen Fundamenten an einem fixen Standort erstellt. Dass dies aber nicht in jedem Fall so sein muss, zeigt die zunehmende Anzahl an mobilen Geflügelmast- und Legehennenställen. Während die mobilen Geflügelmastställe nur von Bio-Betrieben gewählt werden, steht der vollmobile Legehennenstall insbesondere bei Direktvermarktern im Einsatz. Doch auch vollmobile Legehennenställe finden sich relativ häufig auf Bio-Betrieben. So finden sich 50 % dieser Ställe auf Bio-Betrieben. Die Haltung in kleinen Herden und der Auslauf auf grünen Wiesen macht die mobile Haltungsform bei Konsumenten besonders sympathisch. Der hohe Anteil an Wiesenfutter gibt den «Weideeiern» eine von geschmackbewussten Konsumenten und Konsumentinnen geschätzte Qualität.
Ein mobiler Hühnerstall an seinem temporären Standort in der Hofstatt.
Die mobile Haltungsform von Legehennen ist in Deutschland stark am Wachsen und bei mehreren Stallbaufirmen im Sortiment. In der Schweiz hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bis Ende 2016 ausschliesslich Modelle der Stallbaufirma Iris Weiland GmbH & Co. KG definitiv bewilligt. Die Modelle wurden vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) als BTS- und RAUS-konform beurteilt und haben eine Bio-Zertifizierung. Nach Herstellerangaben wurden bis Ende 2016 in der Schweiz 35 Hühnermobile – nur kleine Modelle für maximal 380 Hühner – verkauft.
Funktionsweise
Das Hühnermobil 300 Kombi ist 10 m lang, 2,70 m breit und weist eine Gesamthöhe von 3,60 m auf. Der Stall bietet Platz für 380 Hühner (Bio-Suisse: 300 Hühner). Die Kosten belaufen sich inklusive Wintergarten auf Fr. 70 000.-. Werden die Kosten je Platz mit einem festen 2 000er Biolegehennenstall verglichen, dann kostet der mobile Legehennenplatz ungefähr gleichviel.
Den Hühnern werden im mobilen Stall folgende Funktionsräume geboten: Weideland, beschatteter, fuchsdichter Wintergarten, Scharrraum im Erdgeschoss, eigentlicher Stallteil im Obergeschoss mit Vollrostboden, Sitzstangen, automatisch gefüllte Futtertröge, Tränkenippel und mit Kornspreue ausgestattete Legenester.
Die Aussenwände bestehen aus Sandwichelementen mit Isolierschaum, was im Winter vor Frost und im Sommer vor Hitze schützt. Auf dem Hühnermobil sind zudem Solarzellen montiert, welche eine Batterie laden. Mit dieser Stromversorgung werden das automatische Beleuchtungs- und Fütterungssystem, die Auslauf- und Nestklappen sowie der Elektrozaun betrieben. Der Wassertank und der Futterbehälter werden beim wöchentlichen «Umzug» aufgefüllt und das Kotband entmistet. Bei den grösseren Ställen sind weitere Rationalisierungsmöglichkeiten optional erhältlich.
Die Nutzungsdauer der Hühnermobile soll gemäss Auskunft des Herstellers 15 bis 20 Jahre betragen. Dank der Mobilität der Ställe ist der Wiederverkaufswert sehr hoch. So kann ein Geflügelhalter durchaus zuerst mit einem kleinen Modell starten und anschliessend einen grösseren Stall anschaffen. Der «alte» Stall kann gemäss Aussage des Herstellers problemlos verkauft werden.
Der eigentliche Stallteil im Obergeschoss mit Vollrostboden, Sitzstangen und automatisch befüllbaren Futtertrögen.
Im Gegensatz zu den mobilen Geflügelmastställen, welche in der Regel nur wenige Male pro Jahr gezügelt werden, wechseln die Legehennen mit ihren vollmobilen Ställen jede Woche ihren Standort. Auf diese Weise wird die Wiese geschont, die Hühner haben stets frisches Gras in unmittelbarer Nähe ihres Stalles und der anfallende Kot (ein Drittel der Gesamtmenge) verteilt sich ideal über die ganze Weidefläche. Auch der Parasiten- und Krankheitsdruck kann so wesentlich reduziert werden. Die Hühner werden zu richtigen Weidegängern, ein Bild, das bei den Konsumenten beliebt ist und den Absatz über den Direktverkauf ankurbelt. Der hohe Verzehr von Wiesenfutter gibt den «Weideeiern» eine Qualität, die von den Konsumenten geschätzt wird.
Für das Versetzen werden die mobilen Ställe hydraulisch angehoben und mit einem Traktor zum neuen Standort gezogen. Der Standortwechsel dauert zirka 10 Minuten. Für die Weidebegrenzung werden in der Regel strombetriebene Weidenetze verwendet. Diese können nach jedem Umzug oder bei genügend grosser Einzäunung alle paar Wochen neu gesteckt werden. Es ist auch möglich, einen fixen Zaun zu installieren und jeweils innerhalb dieser Umzäunung die Standorte zu wechseln.
Stall und doch kein Gebäude
Das Baubewilligungsverfahren hat in gewissen Kantonen anfänglich Schwierigkeiten bereitet. Insbesondere die hohe Mobilität des «Hühnerstalles» stellt an die Beurteilung der Einpassung in die Landschaft erhöhte Anforderungen an die Vollzugsstellen. Um diese Problematik zu entschärfen, kann dem Baugesuch eine Grundbuchplankopie mit den geplanten Standorten beigelegt werden. Da die Ställe sehr mobil sind, sind sie keine Gebäude und gehen daher nicht in die Ertragswertberechnung ein. Der Mobilstall dient auch nicht zur Sicherstellung eines Grundpfandkredits.
Auch wenn es sich bei einem mobilen Geflügelstall nicht um ein Ökonomiegebäude im engen Sinn handelt, sind die mobilen Ställe in ihrer Funktionalität durchaus damit vergleichbar und weisen im Bereich der Ökologie, des Tierwohls und der Raumplanung zusätzliche Vorteile auf. Bei der Raumplanung ist explizit zu erwähnen, dass kein Kulturland verloren geht und dass bei der Aufgabe der Nutzung oder der Erweiterung der Produktion keine Zweckentfremdung oder Umnutzung bestehender Bauten entsteht.
Standortwechsel eines mobilen Hühnerstalles mit 1 200 Hühnern im Innern.
Im Kontext «Stall und doch kein Gebäude» wurde 2016 die Praxis zur Gewährung von Investitionskrediten präzisiert: Mobile Geflügelställe können mit den Pauschalansätzen nach Anhang 4 Ziffer V der Verordnung des BLW über Investitionshilfen und soziale Begleitmassnahmen in der Landwirtschaft (IBLV) unterstützt werden. Auch wenn der maximale Investitionskredit für ein Hühnermobil mit 380 Plätzen nur Fr. 18 200.- beträgt, bietet es dennoch bei einer erfolgreichen Direktvermarktung der Eier eine zusätzliche Einkommensquelle. Ein Arbeitsverdienst von über Fr. 25.- pro Stunde ist gemäss Aussagen von Praktikern realistisch.
Praxisbetrieb in Mattstetten
Auf dem Betrieb von Michael und Magdalena Schneider aus Mattstetten im Berner Mittelland steht seit dem Herbst 2016 ein Hühnermobil. Im Kombistall haben 350 Legehennen aus vier verschiedenen Rassen ein Zuhause gefunden. Das Baugesuch konnte nach anfänglichen Missverständnissen und der Nachlieferung von präzisen Bauplänen (inkl. Grundbuchplankopie mit den Standorten) sowie guten Argumenten für die vollmobile Hühnerhaltung zonenkonform bewilligt werden. Der Standort des Hühnermobils ist in der Hochstamm-Obstanlage direkt neben dem Betriebszentrum. Die Verarbeitung, Funktionsweise, Arbeitseffizienz und das Tierwohl des Hühnermobils überzeugten Schneiders. Der Arbeitsaufwand für Produktion und Direktverkauf ist jedoch nicht zu unterschätzen. Schneiders rechnen mit einem Aufwand von über 600 Stunden je Jahr. Damit die Wirtschaftlichkeit der Investition verbessert werden kann, wollen sie die Eier möglichst direkt verkaufen (heute gehen die meisten Eier an einen Wiederverkäufer). Zu diesem Zweck wollen sie diesen Absatzkanal noch aktiver weiterbearbeiten.
Fazit
Mobile Hühnerställe bieten den Hühnern ein Maximum an Tierwohl, denn neben dem täglichen Auslauf auf frischen Wiesen bietet der Stall den Tieren eine BTS- und RAUS-konforme Unterkunft. Der Stall bietet nicht nur einen hohen Tierkomfort, sondern er überzeugt auch die Bewirtschaftenden als zuverlässiges und durchdachtes Arbeitsinstrument. Doch ist auch dieser Betriebszweig mit Arbeit verbunden und benötigt unternehmerisches Flair. Zu hoffen bleibt, dass auch die grösseren mobilen Legehennenställe ihren Platz in der Schweiz finden werden.
Michael Stäuble, BLW, Fachbereich Betriebsentwicklung, michael.staeuble@blw.admin.ch
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